Erzieher-Meerschweinchen

Was ist das und wer braucht eins?

Meerschweinchen sind nicht nur Herdentiere, sie leben in freier Wildbahn in großen Familien. Diese Familien bestehen aus einem Bock, Papa der Nation, und mehreren Weibchen mit ihrem Nachwuchs. Wie bei sehr vielen Spezies auf dieser Erde lernen die Jungen von den älteren. Zum Einen was gut fressbar und/oder gefährlich ist und, noch wichtiger, wie man sich anderen Meerschweinchen gegenüber richtig verhält. Dies ist die Grundvoraussetzung für ein friedliches Herdenleben, auf das unsere Meerschweinchen großen Wert legen und ein verantwortungsvoller Tierhalter auch.

Viele Neu-Meerschweinchenhalter suchen 2 Tiere, die möglichst jung sein sollten, damit sie von klein auf den Menschen als Freund kennenlernen. Damit macht man gleich zwei große Fehler aufeinmal.

Zwei Jungtiere sind ein Leben lang nahezu gleich alt und damit in der Regel auch gleich stark. Die Rangordnung wird also immer wieder von dem untergeordneten Tier in Frage gestellt und es gesteht eine dauerhaft angespannt Atmosphäre im Gehege. Dieser, mehr oder weniger sichtbare, Dauerstress kann zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen und bei Böcken sogar zu blutigen Beißereien mit schlimmen Wunden.

Das nur nebenbei und jetzt zu dem eigentlichen Thema: Der oder die Erzieher(in) fehlt! Keiner maßregelt die Kleinen, wenn sie am Futternapf vordrängeln oder vor Übermut den anderen umrennen. Ja, Meerschweinchenkinder halten sich auch gerne mal für den König der Welt und zeigen das auch deutlich!

Das hat zur Folge, dass das harmonische Miteinander immer wieder gestört wird, denn der Leidtragende findet das gar nicht toll und leidet entweder still oder setzt sich vehement zur Wehr.

Was macht ein Erzieher?
Der erteilt Lektionen in Form von Nasenstübern und Drohgebärden, die aussagen: „Wenn du das noch einmal machst, Freundchen, kann kriegste es mir mir zu tun! Du holst dir gleich eine Watschn (bayrisch ;-)) ab!“ Da Erzieher erwachsen sind und damit älter und größer, lernen die Kleinen so das Meerschweinchenverhaltens-ABC. Man könnte sagen: Learning by doing! Sie können es auch später an jüngere weitergeben und selber als Erzieher fungieren. Das nennt man auch Sozialisation. Gut sozialisierte Tiere lassen sich in der Regel ganz unproblematisch miteinander vergesellschaften, denn schließlich können sie die Aussagen der anderen deuten und dementsprechend handeln. Sie fügen sich leicht und ohne großes Theater in bestehende Gruppen ein oder lassen neue Tiere in ihrem Reich ankommen.

Ich vergleiche das gerne mit ca. 12 jährigen Menschenkindern. Wenn man zwei davon allein in eine tolle Wohnung steckt, mag das erstmal super sein für die einen, andere trauen sich kaum aus ihrem Zimmer. Aber wenn das erste Gewitter aufzieht oder der
Hunger nach einer gekochten Mahlzeit steht, wollen doch alle zurück zu Mama. Wer eignet sich als Erzieher und wer sollte noch Erziehung genießen? Als Erziehen eignen sich Mädels, als auch Kastrate gleichermaßen, WENN sie selber gut erzogen wurden! Vom Alter kann man das nur bedingt abhängig machen. Manche Tiere sind mit 8 Monaten bereits in der Lage und souverän genug Jüngere anzuleiten, aber prinzipiell würde ich 1 Jahr als Richtwert nehmen. Gut sozialisierte Tiere bekommt man beim Züchter seines Vertrauens. Bitte lasst euch mit dem Wissen aus diesem Text beraten!

Erziehung ist für alle Geschlechter, Rassen und Farben gleichermaßen wichtig, allerdings sollte man bei Jungs und hier besonders Böcken aufpassen. Wenn der Erzieher nicht von Anfang an dabei war, wird es relativ schnell schwierig noch einen dazuzusetzen, ohne, dass es bitterbösen Streit gibt. Das kann bei frühreifen Buben schon ab 4-5 Monaten der Fall sein. Das Wichtigste wäre dann erstmal die Kastration. Meine Empfehlung an alle, die sich ein Meerschweinchen-Pärchen oder mehr anschaffen wollen: Abgesehen davon, dass ich zu einem Kastraten und Mädel(s) rate, sucht nach einem älteren und einem jüngeren Tier. Auch, wenn die Kleinen angeblich so viel niedlicher sein sollen, sie wachsen so schnell. In wenigen Monaten erkennt man kaum noch einen Unterschied zwischen den beiden!

Text und Bild von: Julia Holznagel

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